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Halden als abschüssige Gelände
von Peter Maier / Ferdinand Pfannstiel
Es erscheint zunächst notwendig, den Begriff der „Halde“ etwas genauer abzuklären: Im Hochdeutschen benutzt man den Begriff „Halde“ nur für einen bestimmten Hangtyp, im Schwäbischen aber „sehr allgemein und nahezu für jeden Abhang.“ 1. Wir zitieren W. Keinath:
„Hänge werden im Württembergischen vorwiegend als Halden bezeichnet“.2 Halden haben so immer etwas mit abschüssigem Gelände zu tun. Im besonderen Fall der Trochtelfinger „Lange Halde“ übertrug man die natürliche Geländeform sogar auf den gesamten Höhenrücken.
Die Lange Halde
Die Trochtelfinger „Lange Halde“ ist ein 1,25 km langer Höhenrücken, der sich westlich des Stadtkerns erstreckt. Er erreicht eine Meereshöhe von knapp über 800 m. Hier ist wieder einmal der klassische Fall vorhanden, dass die Namensgebung die natürliche Geländeformverwendete (Naturnamen). Hinsichtlich ihrer Länge hat unsere Halde somit die größte Ausdehnung unter den hier vorgestellten beiden Fluren. Nach dem Kartenmaterial von 1847 lassen sich sogar Flurnamen anführen, welche auf ihre Beziehung zur „Langen Halde“ hinweisen: „Vor Langen Halden“, „Unter Langen Halden“, „Auf Langen Halde“.3 Diese Flurnamen sind heute nicht mehr gebräuchlich und in moderneren Karten nicht mehr enthalten.
Infolge ihres südwestlich gerichteten Verlaufs bildet die „Lange Halde“ einen gewissen Wetterschutz, sodass eine Bewirtschaftung erfolgen konnte. Diese stellt sich heute so dar, dass in den untersten Bereichen Ackerbau immerhin möglich ist, weil durch Verlagerung der erodierten Sedimente hangabwärts der Boden eine gewisse Tiefe und Fruchtbarkeit erhielt. Auf der Karte von 1847 sind viele schmale Parzellenstreifen quer zum Hang eingetragen. Es hatten also damals eine Reihe Trochtelfinger „ihr Äckerle“ an diesem Osthang. Man erkennt jedoch heute nur einen einzelnen langen Acker direkt westlich des Industriegebiets. Aufwärts folgt dann ein breiterer Gürtel an Weidegelände und Heuwiesen. Auf halber Höhe treffen wir Streuobstwiesen an, deren Blüten im Frühjahr unser Auge erfreuen.
Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Trochtelfingen unter Einflussnahme der fürstenbergischen Regierung vermehrt Obstbäume gepflanzt.4 So zählte man um 1900 noch 275 Apfel-, 23 Birn-, 37 Pflaumen- und Zwetschgen-, 5 Kirschbäume.5 Zwei solcher Obstwiesen befinden sich heute noch an der „Lange Halde“ und werden sogfältig gepflegt. Richtig heimisch konnte aber der Obstanbau in Trochtelfingen nie werden.6
Noch weiter oben, bereits im obersten Hang und auf dem Bergrücken selbst, ist lichter Buchenwald anzutreffen.
Schon früh, während der Mittelbronzezeit (ca. 1500-1300 v. Chr.), wurde das Gelände am
Südfuß der „Lange Halde“ von Menschen besiedelt, wie 1988 auf dem Grundstück der Fa. Reifen-Göggel geborgene Keramikteile bezeugen (Abb.2).7Ob wir mit dem durch Tupfenleisten und Knubben verzierten Großgefäß einen kultischen Gegenstand vor uns haben, kann nur vermutet werden.
Der Weg über die „Lange Halde“ ist ein beliebter und abwechslungsreicher Spaziergang. Startet man im Süden, nahe des Wochenendgebiets, so umfängt einen zunächst Buchenwald, während sich später immer wieder reizvolle Ausblicke in den Talkessel und zu den umgebenden Randhöhen eröffnen. Wir bleiben oberhalb des „Kuhlochs“, einer Höhle im Osthang, deren Entstehung wohl auf ehemalige Sandgewinnung zurückgeht. Dass man in ihr auch später verendetes Vieh entsorgt hat, ist sehr wahrscheinlich. Voraus jetzt eine schöne Streuobstwiese mit blühenden Apfelbäumen (Abb.3)! Diese befindet sich aber in Privatbesitz und der dort errichtete Pavillon ist daher nicht für die Öffentlichkeit gedacht. In weitem Bogen führt jetzt der Wanderweg ohne nennenswerte Steigungen schattig am Waldrand entlang zur Nordspitze der „Lange Halde“, wo im zeitigen Frühjahr üppige Bestände der Nieswurz das Auge erfreuen. Hier lädt eine Bank zum Verweilen ein. Und das Auge schweift über die Stadt Trochtelfingen hinweg zu den Bergen im Osten, zwischen denen Steinhilben hervorlugt.
Wir umrunden den Bergvorsprung und bald fällt der Weg zum Feldkreuz hin ab. Nach den Ausführungen von Bernhard Klingenstein in den „Trochtelfinger Geschichtsblättern“ wurde jenes von der Familie Schwarz 1990 errichtet, weil Erhard Schwarz eine lebensbedrohende Krankheit überwunden hatte.8
Zwei Wege führen zurück nach Süden: Nimmt man den linken oder den rechten im Westhang? Wählt man den ersteren, so gelangt man nach steilerem Anstieg rasch zur Höhe und schließlich zum Ausgangspunkt. Wählt man hingegen den rechten, so führt dieser bei mäßiger Steigung zum oberen Rand des idyllisch in den Waldausläufern zum „Grafental“ gelegenen Wochenendgebiets, wo vielleicht gerade ein Eichhörnchen an hohem Fichtenaste turnt oder eifrig einen Zapfen benagt. Zuweilen ertönt der grelle
Katzenschrei des Bussards über den Wipfeln. Unterwegs nähern wir uns der alten Landesgrenze zwischen Württemberg und Hohenzollern. Wenn man im Wochenendgebiet zwischen dem „Fuchs-“ und „Rehweg“ nachsieht, kann man hier noch Grenzsteine mit den Inschriften KW (Königreich Württemberg) und HS (Hohenzollern Sigmaringen) entdecken (Abb.4).
Das Mägerkinger Wochenendgebiet entstand während der 1960er Jahre und erlangte nach dem Bebauungsplan von 1973 seine heutige Ausdehnung. Unser Weg leitet den Spaziergänger am oberen Rand der Anlage entlang zum Ausgangspunkt.
2. Die Rote Halde
Am eindrucksvollsten ist die „Rote Halde“ vom Fuß- und Radweg nach Mägerkingen aus. Dann tritt einmal die stark abschüssige Westflanke des Berges besonders deutlich ins Bewusstsein, zum anderen flammen die herbstlichen Buchen beeindruckend in den verschiedensten Rottönen. (Abb.5) Ob nun dieses Farbenspiel tatsächlich zur Namensgebung führte, ist schwer zu beweisen, aber immerhin wahrscheinlich. W. Keinath bezeichnet die Bodenfärbung als eins der wichtigsten Kriterien bei Sprachbildungen im Zusammenhang mit rot, Rote, Röte.9 So könnte der Haldenname auch auf die Rotfärbung durch die Oxidation innerhalb eisenhaltiger Erdschichten zurückgehen, doch ist bisher ein solches Phänomen für die „Rote Halde“ nicht bekannt. Die Bedeutung von rot, Rote weist auch zuweilen auf Geheimnisvolles, Unheimliches hin. Rot mag sogar für minderwertiges Gelände vorkommen.10
Dass der Flurname „Rote Halde“ eine ältere Namensbildung darstellt, beweist seine Erwähnung bereits 1567 im Lehensbrief des Ulrich von Württemberg an die Werdenberger, wo sie als „Rothenhalden“ vorkommt.11 Hinsichtlich ihrer Länge steht die „Rote Halde“ der „Lange Halde“ nur wenig nach, gut 1 km dürfte sie messen. Während sie im Westen steil zum Seckachtal abfällt, erhebt sie sich im Osten nur 50-80 m über ihre Umgebung. Stärker tritt die „Rote Halde“ an ihrem Nordende hervor. Hier kommt man beim Anstieg zum Funkmast doch etwas ins Schwitzen. Im Waldwinkel, den sie mit dem „Buchschorren“ bildet, zeigt sich die „Rote Halde“ besonders idyllisch: Dorthin verirren sich aber nur wenige Spaziergänger. Allein die Holzfäller kommen, um die glatten Buchenstämme zu schlagen. Der Bauer düngt und mäht seine Heuwiesen oder der Jagdpächter hält vom Hochsitz Ausschau nach Wildtieren. Die Windröschen leuchten hell und Veilchen stehen in Büscheln. Bussarde vollführen ihre Flugspiele, fern im Wald kreischt eine Motorsäge.
Wir steigen zum Funkmast empor und müssen dort erst einmal zu Atem kommen, bevor wir in den Waldwinkel zurückkehren, um danach über den uralten Hohlweg rasch abzusteigen ins „Schelmental“ und hinüber zu wandern zur „Unteren Mühle“ und weiter nach Mägerkingen oder Trochtelfingen. Die „Untere Mühle“ hatte eine durchaus wechselvolle Geschichte: Ursprünglich war sie in württembergischem Besitz und gelangte dann als Erblehen an die Grafen von Werdenberg. Später folgten zahlreiche Pächter und Eigentümer bis zur Besitzübernahme 1999 durch Heinrich und Katrin Völker.12
Mit etwas Glück lässt sich hier unten ein Graureiher beobachten, und im Seckachflüsschen hat ein Biber seine Burg errichtet. Bewegungslos steht der Reiher am Ufer und späht nach Beute aus. Den Burgbesitzer selbst aber bekommen wir nicht zu Gesicht.
Anmerkungen
Fotografien Peter Maier
1 Oliver Meiser, Flurnamen, Gewann- und Örtlichkeitsbezeichnungen in Stadt und Markung
Pfullingen, 2021, Seite 58ff.
2 Walther Keinath, Orts- und Flurnamen in Württemberg, 1951, Seite 53
3 Vgl. die Flurkarten von 1847, Blatt XXVI mit den Topografischen Karten 1:25 000.
4 Bernhard Klingenstein, Die Entwicklung der Landwirtschaft in Trochtelfingen – Von der Dreifelderwirtschaft
zur industrialisierten Landwirtschaft. In: Trochtelfinger Geschichtsblätter,
Ausgabe 13, 2022, Seite 16ff., hier besonders Seite 31 Obstbaumzucht
5 ebenda
6 ebenda
7 Jutta Krumland, Die bronzezeitliche Siedlungskeramik zwischen Elsaß und Böhmen. Internationale
Archäologie, Band 49, 1998, Seite 203 Nr.171 und Taf.97B – 98A
8 Siehe Bernhard Klingenstein, Historische Gebäude/ Figuren/ Einrichtungen, Nr.2. In: Trochtelfinger
GeschichtsblätterAusgabe 1, 2011
9 Walther Keinath 1951, 38
10 ebenda 38 u. 87 u. 198f.
11 Vergleiche den Lehensbrief des Herzogs Christoph von Württemberg 1567. In: Ausstellungstext
des Heimat- und Geschichtsvereins Trochtelfingen. Archiv des Heimat- und Geschichtsvereins
Trochtelfingen
12 Alle Informationen zur „Unteren Mühle“ nach dem Ausstellungstext des Heimat- und Geschichtsvereins
Trochtelfingen. Archiv des Heimat- und Geschichtsvereins Trochtelfingen
13 Kartengestaltung unter Verwendung des Faltplans der Stadt Trochtelfingen